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MARTIN LUTHER KING

Martin Luther King und die ameri­kanische Bürger­rechts­bewegung

Hintergrund

Durch seine Überzeugungskraft gelingt es Martin Luther King, große Teile der schwarzen Bevölkerung für einen gewaltfreien Kampf um ihre Bürgerrechte und gegen den gewalttätigen Rassismus, dem sie ausgesetzt sind, zu gewinnen.

Zu Martin Luther Kings Popularität trägt auch ein Comic über den Busboykott in Montgomery bei. 1958 erscheint Martin Luther Kings Buch „Stride toward freedom“, in dem er seinen Weg zur Gewaltlosigkeit und seine Erfahrungen mit dem gewaltfreien Widerstand in Montgomery schildert.

Nach dem Vorbild von Montgomery kommt es an verschiedenen Orten zu Protestaktionen, bei denen sich die schwarze Bevölkerung über die Gesetze der Rassentrennung gewaltfrei hinwegsetzt. So organisieren schwarze Studierende 1960 in North Carolina Sit-ins. Sie setzen sich in Restaurants, die Weißen vorbehalten sind, und nehmen Beschimpfungen und Gewalt in Kauf. Damit beginnt eine nationale Bewegung zur Aufhebung der Rassentrennung in allen öffentlichen Einrichtungen.

1961 erregen die sogenannten Freiheitsfahrten Aufsehen. Busse mit Schwarzen fahren in Bundesstaaten, in denen die Aufhebung der Rassentrennung von der weißen Bevölkerung noch nicht akzeptiert wird. Dabei kommt es immer wieder zu massiven Übergriffen. Die Bilder der Gewalt gegen schwarze Menschen, die Schläge ohne Gegenwehr hinnehmen, setzen die Politik unter moralischen Druck und zwingen sie vielerorts zum Einlenken.

Die Kraft zum Widerstand kommt auch aus der Musik. Spirituals und Gospels geben den Menschen Mut und Kraft. Bei den Protesten in Birmingham 1963 lassen sich tausende Demonstrierende widerstandslos verhaften. Die umstehenden Menschen, darunter auch Weiße, drücken ihre Solidarität mit den Festgenommenen mit Gesängen aus. „We shall overcome“ wird zum wichtigsten Widerstandslied. Durch die Folksängerin Joan Baez, die es im Sommer 1963 beim Marsch auf Washington vorträgt, wird es zur Hymne von Freiheitsbewegungen auf der ganzen Welt.

Der Civil Rights Act von 1964 ist schließlich ein Erfolg der Bürgerrechtsbewegung. Das Gesetz entzieht der Segregation, wie sie in den Jim-Crow-Gesetzen geregelt ist, die Grundlage und verbietet bei Strafe jede Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht und anderen Merkmalen. Dabei geht der Civil Rights Act vielen, unter ihnen Martin Luther King, nicht weit genug. Die Ereignisse und Morde in Selma ein Jahr später machen allen Beteiligten deutlich, dass es noch ein weiter Weg bis zur tatsächlichen Gleichberechtigung ist.

„Wahrer Pazifismus ist (...) der mutige Versuch, gegen das Böse die Macht der Liebe zu setzen, in dem Glauben, dass es besser ist, das Opfer von Gewalt zu sein, als selbst Gewalt anzuwenden; denn Letzteres bringt nur immer mehr Gewalt und Verbitterung in die Welt, während Ersteres möglicherweise im Gegner eine Regung der Scham entstehen lässt und dadurch eine Veränderung und einen Wandel des Herzens bewirkt.“

Martin Luther King (1958)

Grundsätze des gewaltfreien Widerstandes nach Martin Luther King (1958)

zusammengefasst nach Martin Luther King, Freiheit, 1964, S.78ff.

Gewaltloser Widerstand ist keine Methode für Feiglinge. Es wird Widerstand geleistet. Wenn jemand diese Methode anwendet, weil er Angst hat oder weil ihm nur die Werkzeuge zur Gewaltanwendung fehlen, so handelt er in Wirklichkeit gar nicht gewaltlos.

Gewaltloser Widerstand will den Gegner nicht vernichten oder demütigen, sondern sein Verständnis und seine Freundschaft gewinnen. Der Zweck ist Wiedergutmachung und Aussöhnung. Die Frucht des gewaltlosen Widerstandes ist eine neue innige Gemeinschaft, während die Folge der Gewalttätigkeit tragische Verbitterung ist.

Der Angriff ist gegen die Mächte des Bösen gerichtet, nicht gegen Personen, die das Böse tun. Der Anhänger des gewaltlosen Widerstandes will das Böse vernichten, nicht die Menschen, die dem Bösen verfallen sind.

Zum gewaltlosen Widerstand gehört die Bereitschaft, Demütigungen zu erdulden, ohne sich zu rächen, und Schläge hinzunehmen, ohne zurückzuschlagen. „Vielleicht müssen Ströme von Blut fließen, ehe wir unsere Freiheit gewinnen, aber es muss unser Blut sein“, sagte Gandhi zu seinen Landsleuten.

Er hat erkannt, dass unverdientes Leiden erlöst. Im Leiden liegt eine gewaltige erzieherische und umwandelnde Kraft. Bei Gandhi heißt es: „Alles, was von fundamentaler Bedeutung für ein Volk ist, lässt sich nicht durch Vernunft allein erreichen, es muss durch Leiden erkauft werden. Leiden ist eine unendlich viel stärkere Macht als das Gesetz des Dschungels. Es kann den Gegner umwandeln und ihm die Ohren öffnen, die sonst der Stimme der Vernunft verschlossen sind.“

Der Anhänger der Gewaltlosigkeit weigert sich nicht nur, seinen Gegner niederzuschießen, sondern auch, ihn zu hassen. Im Mittelpunkt der Lehre vom gewaltlosen Widerstand steht das Gebot der Liebe. Sie macht keinen Unterschied zwischen würdigen und unwürdigen Menschen oder zwischen irgendwelchen Eigenschaften, die Menschen besitzen. Sie liebt die andern um ihretwillen und sieht in jedem Menschen, dem sie begegnet, den Nächsten.

Der gewaltlose Widerstand gründet auf der Überzeugung, dass das Universum auf der Seite der Gerechtigkeit steht. Infolgedessen hat der, der an Gewaltlosigkeit glaubt, einen tiefen Glauben an die Zukunft.

Dieser Glaube ist ein weiterer Grund, warum der Anhänger des gewaltlosen Widerstandes Leiden ertragen kann, ohne wiederzuvergelten. Es ist wahr, dass es eifrige Anhänger der Gewaltlosigkeit gibt, denen es schwerfällt, an einen personalen Gott zu glauben. Aber selbst diese glauben an die Existenz irgendeiner schöpferischen Kraft, die für das universale Ganze wirkt. Ob wir sie nun einen unbewussten Prozess, einen unpersönlichen Brahma oder ein personales Wesen von unvergleichlicher Macht und unendlicher Liebe nennen – es gibt eine schöpferische Kraft in diesem Weltall, die am Werk ist, die getrennten Erscheinungen der Wirklichkeit zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen.

Der Comic „The Montgomery Story“ (1957) erzählt die Geschichte des Busboykotts. 250.000 Exemplare werden im ganzen Land verteilt.

Quelle: Katharina Jany

Mahalia Jackson (1911–1972), 1961. Die berühmte Gospelsängerin ist mit Martin Luther King befreundet und unterstützt die Bürgerrechtsbewegung mit ihrer beeindruckenden Stimme und mit hohen Geldsummen. Beim Marsch auf Washington stimmt sie unmittelbar vor Kings Rede auf dessen Wunsch das alte Spiritual „I‘ve been buked and I‘ve been scorned“ an.

Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Comet Photo AG (Zürich)/Com_L10-0125-0001/CC BY-SA 4.0

Joan Baez (*1941) beim Marsch auf Washington am 28. August 1963. Die Folksängerin ist Pazifistin, kämpft gegen den Vietnamkrieg und gründet 1964 in Kalifornien eine Schule der Gewaltfreiheit.

Quelle: National Archives and Records Administration (NAID 542017)/Rowland Scherman

Richard Bartlett Gregg – Weggefährte von Mahatma Gandhi und Martin Luther King

Richard Bartlett Gregg (1885–1974), ein amerikanischer Sozialphilosoph, lebt von 1925 bis 1929 mit Mahatma Gandhi in Indien. Sein bekanntestes Buch ist „The Power of Nonviolence“ (1934), mit dem er Gandhis Lehren einer westlichen Leserschaft erschließt.

Auch Martin Luther King findet durch dieses Buch einen Zugang zu Mahatma Gandhi. Die Anwendung von Gandhis Methode in Montgomery begeistert Gregg. Zwischen ihm und Martin Luther King entsteht ein Briefwechsel. Gregg nimmt teil am gewaltfreien Training für Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung und hilft Martin Luther King bei der Organisation seines Indienbesuchs. 1959 erscheint eine neue Ausgabe von „The Power of Nonviolence“ mit einem Vorwort von Martin Luther King.

1965 erscheint Richard Bartlett Greggs Buch „Die Macht der Gewaltlosigkeit“ mit einem Vorwort von Martin Luther King (1959) in deutscher Sprache.

Quelle: Privat

Bayard Rustin (1912–1987), „Mr. March on Washington”, 1963. Auf dem Marsch kamen über 200.000 Menschen gewaltfrei zusammen. Es gab nur vier Festnahmen, alle betrafen Weiße.

Quelle: Wikimedia Commons/Library of Congress

Bayard Rustin – Stratege der Bürgerrechtsbewegung

Bayard Rustin ist seit seiner Jugend ein Kämpfer gegen Ungerechtigkeit und rassistische Diskriminierung. In den 1950er Jahren wird er zu einem einflussreichen Berater Martin Luther Kings in Fragen des gewaltfreien Widerstandes. Die schon von ihm in den 1940er Jahren in den USA erprobten Methoden vertieft er 1948 auf einer Indienreise, auf der er sich noch stärker mit den gewaltfreien Techniken Mahatma Gandhis vertraut macht. 1956 berät er Martin Luther King beim Busboykott in Montgomery und hilft ihm im Jahr darauf bei der Gründung der Southern Christian Leader Conference (SCLC). 1960 wird Rustin aufgrund seiner Homosexualität und seiner kurzen Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei als junger Erwachsener zum Rückzug aus der SCLC gezwungen. Trotzdem ist er 1963 einer der Hauptorganisatoren des Marsches auf Washington – ein logistisch und politisch herausforderndes Unterfangen. Offiziell darf er dabei keine große Rolle einnehmen.

In späteren Jahren arbeitet Bayard Rustin international als Menschenrechts- und Wahlbeobachter und setzt sich für die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben ein.

Die Kraft der Musik

Die schwarze Musik (Jazz, Blues, Gospel) geht auf die Spirituals zurück, die seit dem 17. Jahrhundert unter den afroamerikanischen Sklavinnen und Sklaven entstanden sind. In ihnen drückt sich die Trauer um den Verlust von Heimat und Familie, aber auch Hoffnung aus. Viele Spirituals handeln von der Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei durch den Propheten Mose. Die Sklavinnen und Sklaven schöpfen aus dieser biblischen Erzählung die Hoffnung, dass auch sie eines Tages frei sein werden. Ein bekanntes Lied ist „Go down Mose“.

Eine Weiterentwicklung der Spirituals sind die Gospels, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstehen und in den Gottesdiensten der Schwarzen von großer Bedeutung sind. Gospel heißt übersetzt Evangelium – gute Nachricht.

„We shall overcome“ geht auf einen Gospel von Pfarrer Charles Albert Tindley aus dem Jahr 1901 zurück und wird 1945 erstmals auch als Streiklied von schwarzen Fabrikarbeiterinnen in Charleston gesungen.

„We shall overcome“ wird zu einem der großen Widerstandslieder der Bürgerrechtsbewegung.

Quelle: Anneliese Vahl, Martin Luther King, 1968

Ich verpflichte mich:

  1. Jeden Tag über die Lehren und das Leben Jesu nachzudenken.
  2. Nie zu vergessen, dass die gewaltlose Bewegung in Birmingham Gerechtigkeit und Versöhnung sucht, nicht den Sieg.
  3. Im Geiste der Liebe zu gehen und zu sprechen, denn Gott ist die Liebe.
  4. Täglich zu Gott zu beten, dass er mich dazu benutzen möge, allen Menschen zur Freiheit zu verhelfen.
  5. Persönliche Wünsche zu opfern, um allen Menschen zur Freiheit zu verhelfen.
  6. Im Umgang mit Freund und Feind die Regeln der Höflichkeit zu beachten.
  7. Danach zu trachten, ständig anderen und der Welt zu dienen.
  8. Mich der Gewalttätigkeit der Faust, der Zunge und des Herzens zu enthalten.
  9. Mich zu bemühen, in geistiger und körperlicher Gesundheit zu leben.
  10. Den Anweisungen der Bewegung und des Leiters einer Demonstration zu folgen.

Verpflichtungserklärung für den Protest in Birmingham

Quelle: Martin Luther King, Warum wir nicht warten können, 1965, S. 77

Training für gewaltfreies Handeln

Martin Luther King predigt nicht nur Gewaltfreiheit, er entwickelt auch ein Training dafür.

Er weiß, dass gewaltfreies Handeln eingeübt werden muss. Vor gewaltfreien Aktionen erhalten die Teilnehmenden Schulungen und werden auf ihre Eignung geprüft.

In Rollenspielen üben sie, friedlich und ohne Bitterkeit auf die demütigende Sprache und auf die körperlichen Misshandlungen durch Polizei und Rassisten zu reagieren.

Zugleich üben sie, Körperhaltungen einzunehmen, die etwa Kopf und Bauchraum vor Verletzungen schützen können.

Besonders gründlich bereitet Martin Luther King die Proteste in Birmingham vor. Die Beteiligten müssen nach dem Training eine Verpflichtungserklärung unterschreiben.

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