Hintergrund
Die Ereignisse in Leipzig beeinflussen und prägen in entscheidendem Maße die Entwicklung und den Verlauf der Friedlichen Revolution. Ab September 1989 sind die Demonstrationen in der Messestadt in der gesamten DDR bekannt und es wird deutlich, dass es der Staatsmacht kaum noch gelingt, die Proteste einzudämmen oder gar zu unterdrücken. Die Montagsgebete in der Nikolaikirche und die anschließenden Demonstrationen vereinen immer mehr Menschen. Am 2. Oktober 1989 schließen sich bereits 20.000 Protestierende der Montagsdemonstration an. Eine Woche später, am 9. Oktober 1989 gelingt es 75.000 Menschen, die Staatsmacht zum Rückzug zu zwingen. Ein Wendepunkt in der Geschichte der DDR.
Nikolaikirche September 1989 – „Für ein offnes Land mit freien Menschen“
Auf einer Demonstration vor der Nikolaikirche im Anschluss an das traditionelle Montagsgebet fordern am 4. September etwa 1.000 Bürgerinnen und Bürger „Reisefreiheit statt Massenflucht“ und „Stasi raus“.
Fortan finden wöchentlich die sogenannten Montagsdemonstrationen statt, die von Stasi und Polizei observiert, behindert und teilweise aufgelöst werden. Immer wieder werden Protestierende von der Staatsmacht verhaftet. In den folgenden Wochen riegelt die Polizei die Nikolaikirche ab, um die Demonstrationen einzudämmen.
Beim Montagsgebet am 25. September 1989 predigt Christoph Wonneberger in der Nikolaikirche. Er spricht die Worte: „Wer andere willkürlich der Freiheit beraubt, hat bald selbst keine Fluchtwege mehr.“ Auf der anschließenden Demonstration fordern etwa 5.000 Menschen unter anderem die Zulassung des Neuen Forums. Statt der Forderung „Wir wollen raus!“ dominieren bald die Rufe „Wir bleiben hier!“.
Bei der ersten Montagsdemonstration in Leipzig am 4. September 1989 entrollen Oppositionelle mehrere Transparente mit politischen Forderungen.
Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Armin Wiech, RHG_Fo_AW_0157
Harald Wagner, in den 1980er Jahren Pfarrer in Holzhausen bei Leipzig, über die Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche
Nikolaikirche 2. Oktober 1989 – Mit Hunden und Schlagstöcken gegen demonstrierende Bürgerinnen und Bürger
Am 2. Oktober 1989 schließen sich 20.000 Menschen der Demonstration nach dem Montagsgebet in der Nikolaikirche an. Sie fordern Meinungsfreiheit und politische Reformen. Unter den Teilnehmenden dominieren jene, die nicht die Ausreise aus der DDR verlangen, sondern sich für ein Bleiben im Lande aussprechen. Ausgerüstet mit Helmen und Schilden gehen Stasi und Polizei mit Hunden und Schlagstöcken gegen die Demonstrierenden vor und nehmen zahlreiche von ihnen fest.
Der 9. Oktober 1989 – Die Staatsmacht zieht sich zurück
Nach vorangegangenen Protesten gegen die SED-Führung in mehreren Städten spitzt sich die Situation in Leipzig dramatisch zu. Viele Menschen fürchten, dass die Staatsmacht bei der nächsten Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 auf Gewalt setzt und selbst vor dem Einsatz von Schusswaffen nicht zurückschreckt.
Angesichts der Gefahr verteilen oppositionelle Gruppen Flugblätter mit dem Appell zu konsequenter Gewaltlosigkeit. Die „Leipziger Sechs“ – prominente Künstlerinnen und Künstler, ein Theologe und drei Funktionäre der SED-Bezirksleitung – mahnen in einem öffentlichen Aufruf zur Besonnenheit.
Nach den Montagsgebeten in mehreren Kirchen versammeln sich 75.000 Menschen und ziehen friedlich auf dem Innenstadtring durch Leipzig. Sie fordern Reformen.
Die SED-Führung wagt die Konfrontation nicht mehr und zieht die 8.000 Polizisten, Soldaten und Angehörigen der Kampfgruppen ab. Die friedliche Demonstration in Leipzig wird zum Wendepunkt der politischen Entwicklung im Herbst 1989.