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DER WEG ZUR DEMOKRATIE

Dezember 1989 bis März 1990

Dezember 1989

1. Dezember

Die Volkskammer beschließt, die führende Rolle der SED aus der Verfassung der DDR zu streichen.

2. Dezember

„Erneuerung und Demokratisierung unserer Gesellschaft – ein Licht für unser Land“ – etwa zwei Millionen Menschen folgen dem Aufruf der Evangelischen Jugendarbeit Greifswald, der Aktion Sühnezeichen und des Neuen Forums und bilden eine Menschenkette von Saßnitz bis Bautzen und von Schwedt bis Eisenach.

3. Dezember

Teilnehmerinnen eines Frauenkongresses in der Ostberliner Volksbühne verabschieden das „Manifest für eine autonome Frauenbewegung“. Es wird beschlossen, eine politische Vereinigung zu bilden, um am geplanten Zentralen Runden Tisch teilnehmen zu können. Der Unabhängige Frauenverband versteht sich als organisatorisches Sammelbecken der autonomen Frauenbewegung der DDR.

4. Dezember

Besetzung der MfS-Kreisdienststelle in Rathenow und der MfS-Bezirksverwaltungen in Erfurt und Leipzig sowie weiterer MfS-Dienststellen in der gesamten DDR, um die Vernichtung von Akten zu verhindern. Vor allem die Kreisdienststellen waren zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend leergeräumt.

5. Dezember

Auch in Dresden, Suhl und weiteren Orten erzwingen Demonstrierende den Zugang zu den ehemaligen Stasi-Gebäuden.

6. Dezember

Egon Krenz (SED) tritt als Vorsitzender des Staatsrates zurück, Manfred Gerlach (LDPD) wird von der Volkskammer als sein Nachfolger gewählt.

7. Dezember

Von den Kirchen einberufen und moderiert versammeln sich Abgesandte der SED, der Blockparteien und der Bürgerbewegungen zur ersten Sitzung des Zentralen Runden Tisches im Bonhoeffer-Haus in Ostberlin.  

Erich Mielke (SED), ehemaliger Minister für Staatssicherheit, wird festgenommen und im einstigen Zentralen Untersuchungsgefängnis des MfS in Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert.

Runde Tische – Vehikel auf dem Weg zur Demokratie

Die Einberufung des Zentralen Runden Tisches ist ein Meilenstein in der Friedlichen Revolution. Er ist in der DDR-Gesellschaft des Übergangs auf dem Weg in die Demokratie kein Parlamentsersatz, wirkt jedoch an wichtigen Beschlüssen über gesellschaftliche Reformen mit und hat entscheidenden Anteil bei der Überwindung der SED-Diktatur. Der Niedergang der Wirtschaft, die anhaltende Flucht vieler DDR-Bürgerinnen und -Bürger in den Westen und die zerfallende Regierung unter Hans Modrow (SED/PDS) bestimmen zunehmend die Arbeit. Der Zentrale Runde Tisch bereitet die ersten freien Wahlen in der DDR vor und legt mit dem Entwurf einer Verfassung ein bedeutsames Dokument in der deutschen Demokratiegeschichte vor. Nach seinem Vorbild agieren in der DDR auf unterschiedlichen Ebenen lokale und thematische Runde Tische.

Sitzung des Zentralen Runden Tisch am 7. Dezember 1989. Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerbewegung (von links nach rechts): Gerd Poppe (Initiative Frieden und Menschenrechte), Wolfgang Ullmann, Ulrike Poppe (beide Demokratie Jetzt), Ingrid Köppe, Rolf Henrich (beide Neues Forum) und Carlo Jordan (Grüne Partei).

Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Rolf Zöllner/RHG_Fo_RZ_0199

8. Dezember

Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR richtet einen Appell an alle Bürgerinnen und Bürger im Land, die gegenwärtigen Aufgaben frei von Gewalt und Rache im „Geist der Versöhnung“ zu lösen.

Beginn des Sonderparteitags der SED. Die Partei sucht nach Auswegen aus der Krise und ringt um den Erhalt ihres politischen Einflusses unter den sich wandelnden gesellschaftlichen Bedingungen. Sie benennt sich um in Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des demokratischen Sozialismus (SED-PDS).

11. Dezember

Auf Montagsdemonstrationen in zahlreichen Orten der DDR wird der Ruf nach Wiedervereinigung laut.

14. Dezember

Beschluss des Ministerrates zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit, das das Ministerium für Staatssicherheit ersetzen und in Teilen erhalten sollte

15./16. Dezember

Nachdem sie sich lange Jahre der SED untergeordnet hat, bekennt sich die CDU der DDR auf ihrem Sonderparteitag in Übereinstimmung mit der West-CDU zur Marktwirtschaft und zur „Einheit der Nation“.

15./20. Dezember

Protestdemonstrationen und Mahnwache vor der Rumänischen Botschaft in Pankow angesichts des gewaltsamen Vorgehens rumänischer Sicherheitskräfte gegen Demokratie einfordernde Bürgerinnen und Bürger.

19. Dezember

Bundeskanzler Helmut Kohl trifft mit Ministerpräsident Hans Modrow in Dresden zusammen. Bei einer Ansprache vor der Ruine der Frauenkirche wird Helmut Kohl von der Bevölkerung bejubelt.

Rasche Einheit oder behutsame Annäherung?

Die Demonstrierenden skandieren nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 immer häufiger: „Wir sind ein Volk“, „Keine Experimente, Wiedervereinigung jetzt“ und „Deutschland einig Vaterland“. Sie fordern nun nicht mehr eine demokratische Umgestaltung der DDR, sondern die zügige Vereinigung mit der Bundesrepublik. Die Kluft wird größer – zwischen jenen, die eine rasche Vereinigung befürworten, und Anhängerinnen und Anhängern der Bürgerbewegungen sowie Intellektuellen, die die Eigenständigkeit der DDR und eine langfristige Perspektive für die Einheit fordern. Die Frage wird zum zentralen politischen Thema.

Auf den Kundgebungen und Demonstrationen im Winter 1989/1990, wie hier in Dresden, werden die Plakate und Transparente mit der Forderung nach der deutschen Einheit immer bestimmender. 

Quelle: BArch, Bild 183-1989-1219-021/Ulrich Häßler

„Ein Licht für unser Land“ -Menschenkette über die Dimitroffbrücke in Dresden. Etwa zwei Millionen Menschen beteiligen sich DDR-weit an dieser Aktion. Sie setzen damit ein Zeichen der Hoffnung auf eine demokratische Erneuerung der DDR.

Quelle: Hans Strehlow

Januar 1990

4. Januar

Die Oppositionsgruppen Neues Forum, Initiative Frieden und Menschenrechte sowie Demokratie Jetzt schließen sich in dem Wahlbündnis Bündnis 90 zusammen.

13. Januar

Die SDP beschließt auf ihrer ersten Delegiertenkonferenz in Berlin, sich künftig SPD zu nennen und unterstreicht damit ihre Hinwendung zur westdeutschen Sozialdemokratie.

15. Januar

Dass die Zentrale des einstigen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin weiterarbeitet, führt in der gesamten DDR zu Protesten. Tausende folgen einem Aufruf des Neues Forums zur Kundgebung vor der Stasi-Zentrale. Sie wollen die Tore des Gebäudes in der Normannenstraße symbolisch zumauern. Ziel ist es, jegliches Handeln des ehemaligen Geheimdienstes zu unterbinden und die Vernichtung von Akten zu verhindern. Bürgerinnen und Bürger stürmen den Gebäudekomplex in der Normannenstraße.

28. Januar

Die ursprünglich für den 6. Mai 1990 vorgesehenen Wahlen zur Volkskammer der DDR werden nach Verhandlungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern des Runden Tisches und der Regierung Modrow auf den 18. März vorverlegt.

Die am Runden Tisch vertretenen acht oppositionellen Gruppierungen erklären sich bereit, je einen Minister bzw. eine Ministerin in die Regierung zu entsenden. Von der Volkskammer werden sie am 5. Februar als Minister ohne Geschäftsbereich gewählt. Es entsteht die „Regierung der nationalen Verantwortung“.

30. Januar

Der Vorsitzende der KPdSU Michail Gorbatschow und der DDR-Regierungschef Hans Modrow treffen in Moskau zusammen. Auf die Frage eines Pressevertreters zur Zukunft der deutschen Einheit erklärt der sowjetische Staatsmann: „Mir scheint, es gibt sowohl bei den Deutschen in West und Ost als auch bei den Vertretern der vier Mächte ein gewisses Einverständnis darüber, dass die Vereinigung der Deutschen niemals und von niemandem prinzipiell in Zweifel gezogen wurde.“

Februar 1990

1. Februar

DDR-Ministerpräsident Hans Modrow stellt sein Konzept „Deutschland, einig Vaterland“ als Vierstufenplan für die Vereinigung der beiden deutschen Staaten vor.

5. Februar

Bundeskanzler Helmut Kohl erklärt in Berlin die „Allianz für Deutschland“ zum künftigen Partner seiner Partei in der DDR. Das Wahlbündnis besteht aus der DDR-CDU, dem Demokratischen Aufbruch (DA) und der Deutschen Sozialen Union (DSU). Die Wahlslogans lauten „Wohlstand für alle“ und „Wir sind ein Volk“.

11. Februar

Bundeskanzler Helmut Kohl erklärt nach seiner Rückkehr aus Moskau, dass der sowjetische Staatschef grünes Licht für die Wiedervereinigung Deutschlands gegeben habe.

März 1990

3. März

In Ostberlin starten der Unabhängige Frauenverband und die Grüne Partei gemeinsam mit landesweit 60 Kandidatinnen und Kandidaten in den Wahlkampf zur Volkskammer. Sie stellen das kleinste Bündnis in der neuen Parteienlandschaft.

12. März

Der Runde Tisch hält seine 16. und letzte Sitzung ab. Über den neuen Verfassungsentwurf, den eine Arbeitsgruppe entwickelt hat, soll am 17. Juni in einem Volksentscheid abgestimmt werden. Eine Übernahme des Grundgesetzes der Bundesrepublik lehnen die Mitglieder des Zentralen Runden Tisch ab.

In Leipzig nehmen an der letzten Montagsdemonstration etwa 30.000 Menschen teil.

14. März

Auf der Leipziger Wahlkundgebung der „Allianz für Deutschland“ mit Helmut Kohl versammeln sich 300.000 Menschen, die am Ende der Veranstaltung die bundesdeutsche Nationalhymne singen.

Die PDS veröffentlicht im Neuen Deutschland eine Stellungnahme
„Positionen der PDS zu Gläubigen, Kirchen und Religionsgemeinschaften“, in der sie ihre Mitschuld an einer verfehlten SED-Kirchenpolitik bekennt und die Gläubigen um Versöhnung bittet.

16. März

Im Ostberliner Haus der Demokratie wendet sich Jens Reich vom Bündnis 90 auf einer Pressekonferenz gegen Pläne konservativer Parteien, nach den Wahlen einen neuen Geheimdienst zu installieren.

18. März

Bei den ersten freien und zugleich letzten Wahlen zur Volkskammer können sich die insgesamt 12,4 Millionen wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in der DDR zwischen 19 Parteien und fünf Listenverbindungen entscheiden. Die Wahlbeteiligung liegt bei 93,4 Prozent. Der Wahlsieg der konservativen „Allianz für Deutschland“ unter Führung der CDU ist eine Entscheidung für den raschen Weg in die deutsche Einheit.

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