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DER WEG ZUR DEMOKRATIE

Oktober und November 1989

Oktober 1989

2. Oktober

Das SED-Zentralorgan Neues Deutschland titelt mit Bezug auf den 40. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China: „In den Kämpfen unserer Zeit stehen DDR und China Seite an Seite“. Diese Schlagzeile weckt Befürchtungen, dass auch die SED vor einer blutigen Niederschlagung von Bürgerprotesten nicht zurückschrecken könnte.

In Leipzig schließen sich etwa 20.000 Menschen der Demonstration nach dem Montagsgebet in der Nikolaikirche an. Sie fordern politische Reformen, Meinungsfreiheit und die Zulassung des Neuen Forums. Die Polizei geht massiv gegen die Protestierenden vor. Es kommt zu zahlreichen Verhaftungen.

In der Gethsemanekirche im Ostberliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg beginnt eine Mahnwache für zu Unrecht inhaftierte Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler.

Das Gründungstreffen des Demokratischen Aufbruchs wird von der Staatssicherheit behindert. Dennoch gelingt es, einen Gründungsaufruf zu veröffentlichen.

Auf Grundlage der Böhlener Plattform konstituiert sich die Vereinigte Linke (VL).

3. Oktober

Die Regierung der DDR schließt faktisch ihre Grenzen zur Tschechoslowakei und zu Polen, um die Fluchtwelle zu stoppen.

4. Oktober

Etwa 7.000 DDR-Bürgerinnen und -Bürger, die in der Prager Botschaft der Bundesrepublik Zuflucht gefunden haben, erhalten die Zusage, in verriegelten Sonderzügen in den Westen ausreisen zu dürfen.

In Dresden spitzen sich die Auseinandersetzungen zwischen der Staatsmacht und den Demonstrierenden zu. In der Innenstadt, vor allem in und um den Hauptbahnhof eskaliert die Gewalt auf beiden Seiten, als Demonstrierende versuchen, in die mit Botschaftsflüchtlingen besetzten Züge aus Prag zu gelangen.

In der Gethsemanekirche in Ostberlin beginnt eine Fastenaktion als Protest gegen die Verhaftungen in Leipzig und anderen Städten.

7. Oktober

Tausende Menschen demonstrieren am Abend des 40. Jahrestages der Gründung der DDR in der Ostberliner Innenstadt für politische Veränderungen. An diesem wie am folgenden Abend kommt es in Ostberlin und anderen Städten zu schweren Übergriffen der Volkspolizei und zu Massenfestnahmen. Zahlreiche Demonstrierende suchen Schutz in der Gethsemanekirche.

In Plauen versammeln sich 15.000 Menschen in der Innenstadt und fordern Reformen sowie Reise- und Meinungsfreiheit. Polizei und Staatssicherheit gelingt es nicht, die Kundgebung aufzulösen. Vertreter der Kirche vermitteln zwischen den Demonstrierenden und der Staatsmacht und erreichen ein friedliches Ende der Kundgebung.

Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) in Schwante nahe Berlin

8. Oktober

In Dresden auf der Prager Straße kesselt die Polizei Demonstrierende ein. Zwei katholische Geistliche vermitteln und erwirken den Dialog der „Gruppe der 20“ mit dem Oberbürgermeister. 

9. Oktober

Nach den Montagsgebeten in mehreren Leipziger Kirchen versammeln sich an die 75.000 Menschen. Sie ziehen auf dem Innenstadtring durch Leipzig. Die SED-Führung wagt die Konfrontation nicht und zieht die 8.000 Sicherheitskräfte zurück. Die friedliche Demonstration in Leipzig wird zum Wendepunkt der politischen Entwicklung im Herbst 1989.

In Halle gehen Polizei und Stasi mit Gewalt gegen hunderte Demonstrierende vor, die an einem Friedensgebet teilnehmen wollen.

Die Gespräche zwischen dem Dresdner Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer und der Opposition wecken Hoffnungen auf den Beginn eines Dialogs.

11. Oktober

Am Ende einer ungewöhnlich kontrovers verlaufenden zweitägigen Krisensitzung erklärt das SED-Politbüro die Bereitschaft der Partei zu einem Dialog mit der Bevölkerung.

13. Oktober

Der Generalstaatsanwalt kündigt die Freilassung der bei den Demonstrationen Festgenommenen an.

15. Oktober

In der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg veranstalten prominente Künstlerinnen und Künstler ein „Konzert gegen Gewalt“ als Zeichen der Solidarität mit den Opfern der Polizeigewalt.

16. Oktober

Mehr als 100.000 Menschen demonstrieren in Leipzig. Sie fordern die Zulassung des Neuen Forums, freie Wahlen sowie Reise-, Presse- und Meinungsfreiheit. Auch parallele Demonstrationen mit rund 10.000 Menschen in Dresden und Magdeburg sowie 5.000 Protestierenden in Halle verlaufen friedlich.

18. Oktober

Rücktritt von Staats- und Regierungschef Erich Honecker (SED)

23. Oktober

300.000 Menschen demonstrieren in Leipzig, Zehntausende in Magdeburg, Dresden, Schwerin, Zwickau, Halle, Stralsund und Berlin sowie, bereits an den Vortagen, in Plauen und Rostock.

Pressekonferenz von Vertreterinnen und Vertretern der Opposition zu den Übergriffen der Sicherheitskräfte am 7. und 8. Oktober in Ostberlin – eine 80-seitige Dokumentation von Gedächtnisprotokollen wird der Öffentlichkeit übergeben.

24. Oktober

Egon Krenz (SED) wird von der Volkskammer zum Staatsratsvorsitzenden gewählt. Dagegen demonstrieren am Abend in Ostberlin mehrere tausend Menschen.

26. Oktober

Friedliche Demonstrationen in Dresden (100.000 Teilnehmende), Frankfurt (Oder), Gera und Rostock

27. Oktober

Eine unabhängige Untersuchungskommission zu den Übergriffen der Sicherheitskräfte in Ostberlin am 7. und 8. Oktober nimmt ihre Tätigkeit auf.

Der Staatsrat der DDR beschließt eine Amnestie für alle, die die DDR illegal verlassen haben oder bei Fluchtversuchen festgenommen wurden, sowie für alle, die „Straftaten gegen die staatliche oder öffentliche Ordnung“ begangen haben.

28. Oktober

„Wider den Schlaf der Vernunft“ – Gemeinschaftsaktion von Berliner Künstlerinnen und Künstlern zugunsten der Opfer des staatlichen Machtmissbrauchs in der Ostberliner Erlöserkirche

30. Oktober

Mehr als 200.000 Menschen beteiligen sich an der Montagsdemonstration in Leipzig. Das DDR-Fernsehen berichtet live. Demonstrationen finden auch in Cottbus, Halle, Karl-Marx-Stadt, Schwerin und Pößneck statt.

November 1989

3. November

Die Ostberliner Stadtverordnetenversammlung beschließt die Bildung einer zeitweiligen Kommission zur Untersuchung der Übergriffe von Seiten der Sicherheitskräfte am 7. und 8. Oktober.

4. November

Großdemonstration auf dem Berliner Alexanderplatz: Mehrere hunderttausend Menschen demonstrieren für eine grundlegende Demokratisierung der DDR. Demonstrationen auch in zahlreichen anderen Städten.

6. November

Bislang größte Protestwelle im Land. Hunderttausende gehen in mehr als 70 Orten auf die Straße.

7. November

Die Regierung tritt zurück, die Minister bleiben vorläufig im Amt.

8. November

Das Politbüro der SED, die eigentliche Zentrale der Macht in der DDR, tritt zurück. Das Neue Forum wird als politische Vereinigung offiziell zugelassen.

9. November

Fall der Berliner Mauer und Öffnung der innerdeutschen Grenze

Die Mauer fällt

Der Fall der Mauer am 9. November 1989 ist Folge der friedlichen Proteste, des Erstarkens der Demokratiebewegung sowie der Massenflucht von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern. Er steht in Zusammenhang mit den Reform- und Öffnungsprozessen in der Sowjetunion und den mit ihr verbündeten Staaten.

Der politische Druck auf die SED-Führung, insbesondere die Forderung nach uneingeschränkter Reisefreiheit, ist im November so stark, dass die Regierung ein Reisegesetz erarbeiten will. Scheinbar überrascht von der Frage eines Pressevertreters wann die neue Reiseregelung in Kraft trete, antwortet Politbüromitglied Günter Schabowski auf einer internationalen Pressekonferenz am Abend des 9. November „unverzüglich“. Daraufhin strömen Menschen in Berlin – auch mobilisiert durch die West-Medien – zu den Grenzübergängen und erzwingen kurz vor Mitternacht deren Öffnung.  

Am 10. November fordern Bürgerinnen und Bürger aus Ost und West auch den freien Durchlass am symbolträchtigen Brandenburger Tor.

Quelle: Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (02) Nr. 0312009 / Foto: Kasperski, Edmund

17. November

Demonstration von Studierenden vor der Humboldt-Universität in Berlin.

Hans Modrow (SED), von der Volkskammer zum Vorsitzenden des Ministerrates gewählt, bildet eine neue Regierung.

18. November

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wird formal aufgelöst, an seine Stelle tritt das Amt für Nationale Sicherheit (AfNS).

20. November

Montagsdemonstration in Leipzig mit 250.000 Menschen. Auch in Halle, Cottbus, Dresden, Magdeburg, Neubrandenburg und Schwerin gehen Zehntausende auf die Straße.

25. November

In der Bekenntniskirche in Berlin-Treptow wird die Grüne Partei der DDR gegründet.

26. November

Aufruf „Für unser Land“, in dem sich neben anderen die Schriftstellerin Christa Wolf für den Erhalt einer eigenständigen demokratischen DDR einsetzt.

28. November

Bundeskanzler Helmut Kohl stellt im Deutschen Bundestag sein „Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas“ vor. Die „Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands“ sei das politische Ziel seiner Regierung.

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